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Zu Beginn des Vortrags berichtet Harald Ebner über aktuelle Krisen, man hätte manchmal das Gefühl in einem ständigen Krisenmodus zu sein, Ukrainekrieg jetzt der Konflikt in Israel und weitere. Es sei verständlich, dass alle diese Krisen und auch schon länger bestehende wie die Klimakrise und die Biodiversitätskrise von den Menschen auch emotional verarbeitet werden müssen.
Die Biodiversitätskrise wartet allerdings nicht, macht der Abgeordnete deutlich und bedauert, dass das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf EU-Ebene vorerst an der konservativen EVP gescheitert ist. Er fordert, Klimaschutz, Klimaanpassung und Artenschutz zusammenzudenken.
Harald Ebner führt aus: Die Artenvielfalt bildet ein Netz, das uns trägt. Sechs der neun planetaren Grenzen sind schon überschritten, dazu gehören Chemieeinträge, schwindende Frischwasserreserven, das größte Artensterben seit es die Menschheit gibt und nicht zuletzt die Klimakrise, die auch viele Arten bedroht. „Wir sind es, die auf dem Netz stehen – und mit jedem Knoten wird das Netz brüchiger und werden die Lücken größer.“
Mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ sollen die natürlichen Systeme gestärkt werden. Über Jahrtausende wurde Kohlenstoff in mächtigen Torfschichten gespeichert. Werden Moore entwässert, wird der gebundene Kohlenstoff auf einen Schlag freigesetzt. Auch Meere und Wälder können große Mengen CO2 aufnehmen und als Kohlenstoff langfristig speichern.
Wichtig für den Wasserhaushalt im Wald sind ein reiches Bodenleben und die Wahl der Baumarten. So finde unter Douglasien viel weniger Grundwasserneubildung statt als unter Buchen.
Im Zuge der nationalen Wasserstrategie geht es auch um regionale Versorgungskonzepte. Bei knapper werdenden Trinkwasserreserven muss geklärt werden, wer welche Entnahmerechte hat und wie die Trinkwasserversorgung gesichert werden kann. Und auch, wie mehr Fläche für Versickerung zur Verfügung gestellt werden kann, damit nicht alles buchstäblich den Bach runter läuft.
Auch für nachhaltige Landwirtschaft ist ein vielfältiges Bodenleben unverzichtbar. Auf den Feldern werfen Bäume und Hecken Schatten, bremsen den Wind und erschließen mit ihren tieferen Wurzeln Wasser und Nährstoffe. Aber auch eine abwechslungsreiche Fruchtfolge wirkt Austrocknung entgegen. Vermehrt werden zudem trockenresistente Sorten wie Soja, Hirse, Linsen und Kichererbsen angebaut.
Als Beispiel für Selbsthilfe berichtet der Abgeordnete von Wein-Bauern, die gemeinsam ein Wasserbecken gebaut haben und ihre Felder im Tröpfchenverfahren sparsam bewässern.
Ein wichtiges Thema für den Klimaschutz sind auch Gebäudesanierungen – viele Gemeinden warten auf Förderzusagen.
Mit dem neuen Klimaanpassungsgesetz wird erstmals die Anpassung an die Folgen der Klimakrise als staatliche Aufgabe und Teil der Daseinsvorsorge im Bundesrecht verankert. Bund, Länder und Kommunen werden verpflichtet, eine Klimarisikoanalyse zu machen und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
In der Diskussion mit den Kommunalpolitiker*innen vor Ort ist der Flächenverbrauch ein großes Thema. „Unternehmen müssen immer Wachstum erzielen, das ist ein Grundproblem, auf das noch niemand eine Antwort gefunden hat“, sagt der Politiker.Die Regionalplanung habe bisher nur dazu geführt, dass es länger dauert.
Als einen möglichen Ansatz nennt er einen Handel mit Flächenzertifikaten, vergleichbar mit Emissionszertifikaten.
Mit Blick auf die schwierige Haushaltslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert der Politiker die Opposition zu einer konstruktiven Haltung auf. „Wir brauchen eine intelligentere Schuldenbremse, die Zukunftsinvestitionen ermöglicht.“
Verschiedene weitere Fragen aus dem Publikum auch zu aktuellen Themen im Bundestag wie den Haushaltsplanungen 2023 und 2024 wurden gestellt.
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Gute Stimmung herrschte bei der Jahreshauptversammlung (JHV) des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/Die Grünen in Meckesheim, zu der sich viele Mitglieder und Interessierte eingefunden hatten.
Petra Groesser berichtete im Rechenschaftsbericht des Kreisvorstands über die zahlreichen Aktivitäten und Veranstaltungen des Kreisverbands seit der letzten JHV.
Sie nannte die Veranstaltung mit Staatssekretär Dr. Andre Baumann MdL und Hermino Katzenstein MdL im November 2022 zum Thema Windkraft und den gut besuchten Neujahrsempfang mit Reinhard Bütikofer MdEP und Beate Müller-Gemmeke MdB Anfang Februar.
Auf großes Interesse stieß auch die Veranstaltung mit Staatssekretärin Dr. Franziska Brantner MdB und weiteren Podiumsgästen am 5. Mai 2023 zu erneuerbaren Energien.
Im Rahmen einer spannenden und emotionalen Gesprächsrunde mit dem Europaabgeordneten Romeo Franz am 12. Mai 2023 in Spechbach nahm sich der Kreisverband den wichtigen und aktuellen Themen Rassismus und Integration am Beispiel der Situation der Sinti und Roma an.
Darüber hinaus gab es Treffen der thematischen Arbeitskreise und weitere Aktivitäten, Veranstaltungen und Initiativen des Kreisverbands. Mit den Ortsverbänden und den Abgeordneten im Kreisverband Hermino Katzenstein und Norbert Knopf wurde ein intensiver Austausch gepflegt.
Kreisschatzmeisterin Petra Groesser präsentierte den Kassenbericht, der für 2022 ein gutes finanzielles Polster ausweist. Dieses werde für kommende Wahlen auch benötigt, verdeutlichte sie.
Vorstand und Schatzmeisterin wurden einstimmig entlastet.
Im Folgenden stand turnusgemäß die Wahl des Kreisvorstands auf der Tagesordnung. Gewählt wurden Jutta Münch, Gabi Schmitz und Patrick Berberich sowie die bisherigen Vorstandsmitglieder Sabine Hebbelmann, Kai Jacob, Rolf Kazmaier und Nico Tremmel.
Petra Groesser wurde als Kreisschatzmeisterin einstimmig in ihrem Amt bestätigt.
Laut Satzung des Kreisverbandes sind die Mitglieder des Vorstands gleichberechtigt.
Im Anschluss klang der Abend beim traditionellen Grünen Sommerfest mit vielen Gesprächen, leckerem Essen mit Getränken und guter Laune aus.
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Das Thema Energiewende betrifft in besonderer Weise auch private Haushalte und Unternehmen. Als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist die Heidelberger Bundestagabgeordnete Franziska Brantner ganz nah an den aktuell heiß diskutierten Themen dran. Und so wunderte es nicht, dass bei der Veranstaltung ‚Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?‘ das Martin-Luther-Haus in Neckargemünd rappelvoll wurde.
Eingeladen hatten der Kreisverband Odenwald Kraichgau von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN und der Ortsverband Neckargemünd. Neben Franziska Brantner saßen auch Eva Rausch, Mitinhaberin eines Rauenberger Unternehmens für Gebäudetechnik, der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau Florian Oeß sowie Umweltphysikerin Amany von Oehsen auf dem Podium.
Als Moderator lockte Stefan Geißler, Kreisrat und Vorsitzender des Ortsverbandes Neckargemünd, die Podiumsgäste aus der Reserve und sorgte für einen lebhaften Austausch.
Mit „Franziska, wie geht es Dir?“ begrüßte er Staatssekretärin Franziska Brantner, die angesichts der aktuellen Herausforderungen den Ball aufnahm: „Es ist schon sehr viel im Augenblick“, räumte sie ein und lenkte den Blick auf ein Thema, das medial bisher nicht diskutiert wurde. „Wir haben viel Zeit mit der Digitalisierung der Energiewende verbracht und sehen, welchen Unterschied es macht“, sagte sie.
Ihr überfordert die kleinen Leute, sagten die einen, die anderen, es passiere noch nicht genug, so Geißler. Die Staatssekretärin verwies auf Übergangsfristen und sagte, man wolle niemanden zurücklassen und zeigen, dass Wohlstand und Klimaschutz zusammengehen.
Der Kreisrat sprach das schlechte Abschneiden Baden-Württembergs und insbesondere der Region beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an, worauf Brantner auf die Vorreiter-Rolle in einer anderen „Disziplin“ verwies: „Bis Ende des Jahres müssen die großen Kommunen eine Wärmeplanung machen. Wir sind das erste Land, das erkannt hat, dass wir eine Wärmewende brauchen.“
Geißler wandte sich nun Eva Rausch zu und fragte sie nach der Stimmung in der Kundschaft. „Es gibt ganz viele, die wollen umstellen, aber rund ein Drittel fragt, wo kriege ich noch eine Ölheizung her“, berichtete sie. Auf die Frage, was sie der Staatssekretärin gern mitgeben würde, äußerte die Praktikerin: „Ich würde mir stressfreiere Anmeldungen von Anlagen wünschen. Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es bis zu sieben Netzbetreiber. Da müssen noch Papierausdrucke händisch unterzeichnet und per Mail verschickt werden. Es wäre schön, wenn das einheitlich liefe.“
Zu den über 900 Netzbetreibern zählten vor allem kommunale Stadtwerke. „Das ist eine große Stärke. Aber hier sieht man auch die Grenzen des Föderalismus“, sagte Brantner und versicherte: „Wir versuchen, eine gemeinsame Plattform zu eröffnen.“
Angesichts des Mangels an Fachkräften wünschte sich Rausch eine leichtere Anerkennung gleichwertiger Abschlüsse aus dem Ausland. „Wenn von zehn Punkten zwei fehlen, sollten sie nachgeholt werden können und nicht die ganze Ausbildung von vorn begonnen werden müssen.“
Stefan Geißler berichtete, dass die Unternehmerin und er versuchten, im Kreis dem Fachkräftemangel im Photovoltaik-Bereich mit einer Fortbildung zu begegnen. Grundsätzlich gebe es für Elektrofachbetriebe die Möglichkeit, für bestimmte Aufgaben innerhalb von zwei Wochen „Elektrotechnisch unterwiesene Personen“ (EuP) anzulernen.
Amany von Oehsen begleitet die Energiewende sowohl als Wissenschaftlerin wie auch als Energieberaterin im Nebenberuf. Sie sieht aktuell Licht und Schatten. PV auf Gebäuden sollte durch eine Anpassung der Einspeisevergütung besser gefördert werden, forderte sie. „Wir gehen auf den Acker, weil sich die PV auf der Fabrikhalle weniger lohnt“, bemerkte sie. Nachholbedarf sah sie auch bei der Energieeffizienz und bei der Gebäudedämmung.
Aktuell würden E-Fuels und Kernfusion diskutiert …, so Geißler.
„Es gibt schon lange Studien, die zeigen, dass es möglich ist zu hundert Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen“, entgegnete die Wissenschaftlerin und machte zugleich deutlich, dass es mit den Klimazielen nicht vereinbar sei, in größerem Umfang Holz zu verbrennen: „Buchen brauchen 80 Jahre bis sie ‚erntereif‘ sind. Und wir wissen nicht, ob die Bäume in Zukunft noch nachwachsen.“
Die Energiewende sei von Enthusiasten beseelt, die sich ehrenamtlich engagieren, bemerkte Geißler und stellte Florian Oeß vor. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau sei Verfechter einer dezentral organisierten Energiewende, die von der Bürgerschaft getragen wird.
Der machte deutlich: „Es reicht nicht, nur die Energiequelle auszutauschen. Ich behaupte, dass wir in den Bürgerenergiegenossenschaften große Kompetenzen haben. Die Bürgerenergie ist sozial gerecht, für die Beschleunigung der Energiewende brauchen wir die Bürger.“
Geißler sprach den Wind über dem Neckargemünder Lammertskopf an, wo drei Bürgerenergiegenossenschaften und die Stadtwerke Heidelberg gemeinsam ein Bürgerwindpark-Projekt voranbringen wollen. Auch wenn Forst BW sich gegen eine Sondervergabe stellt, will das regionale Konsortium nicht aufgeben und sich an der regulären Ausschreibung der Staatsforstflächen beteiligen, berichtete Oeß und sagte: „Jetzt gilt es, die Daumen zu drücken!“
DISKUSSION
Lebhaft diskutiert wurde über die Heizungsumstellung auf erneuerbare Energien, die viele persönlich betrifft. Gebäudesanierung, Heizungsumstellung und Dämmung sind oft mit großem Aufwand und Investitionen verbunden. Finanziell Schwächere könnten das nicht leisten und müssten gezielt unterstützt werden.
Es brauche kommunale Wärmenetze und die Möglichkeit der Gemeinschaftswärmeerzeugung, da nicht jede Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden könne.
Aus Gründen des Klimaschutzes sollte die Förderung für Pelletheizungen gestrichen und stattdessen die von Wärmepumpen und Geothermie erhöht werden.
Weitere Fragen und Anregungen deckten ein breites Spektrum ab: Die Struktur des Netzes und sein Ausbau sollten auf die Dezentralisierung des Energiesystems abgestimmt werden. Smartmeter seien derzeit noch teuer und hätten, solange es keine flexiblen Tarife gibt, wenig Nutzen. Auch für die teuren Weiterbildungen für Handwerker sollte es Geld vom Staat geben.
Mit Anpassungen bei der Landesbauverordnung müssten Vorhaben wie Parkplatzüberdachungen erleichtert werden.
Angeregt wurden Beratungsstrukturen, besonders für ältere Menschen. Insgesamt sollte die Regierung wieder mehr erklären, warum sie etwas tut.
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Bis auf den letzten Platz mit Mitgliedern und Interessierten gefüllt ist der Saal im Kulturhaus Wiesloch beim Neujahrsempfang 2023 des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/ Die Grünen.
Im Rahmen ihrer Begrüßung geht Petra Groesser, Mitglied des Kreisvorstands auf die aktuelle politische Situation ein. Die mit dem Ukrainekrieg einhergehenden Veränderungen und mitunter schwierigen politischen Entscheidungen in Berlin haben auch die Parteibasis stark bewegt .
Gabriela Lachenauer, Kai Jacob und Jürgen Kretz stellen sich den Anwesenden als neuer Vorstand des Ortsverbands Wiesloch von Bündnis 90/ Die Grünen vor. In seiner Rede gibt Jürgen Kretz einen kurzen Überblick zum Geschehen vor Ort und bekräftigt wie wichtig es sei, dass in diesen schwierigen Zeiten Grüne Ministerinnen und Minister in Berlin Verantwortung übernehmen.
Wieslochs OberbürgermeisterDirk Elkemann spannt in seinem Grußwort einen Bogen von aktuellen Themenfeldern der Europapolitik und Bundespolitik zu seinen persönlichen Hoffnungen und Wünschen für das neue Jahr.
Als Höhepunkt der Veranstaltung wird in der von Jürgen Kretz moderierten Podiumsdiskussion ein breiter Strauß an Themen diskutiert. Reinhard Bütikofer MdEP als anerkannter Experte für Außenpolitik informiert über aktuelle Fragestellungen und Entscheidungen im Europaparlament und legt seine Einschätzung zur aktuellen Situation und der Zusammenarbeit innerhalb der EU und zum Verhältnis mit China und den USA dar.
Beate Müller-Gemmeke MdB berichtete über aktuelle Initiativen und Projekte im Bundestag zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Im Kontext der Diskussionen zum Bürgergeld mahnt sie eine sachliche Diskussion über Inhalte statt teils populistischer Äußerungen an. Insgesamt hat die Ampel-Koalition in 2022 mehr als 100 Gesetze im Bundestag verabschiedet, viele davon auch zur Abmilderung der Folgen des Ukrainekriegs wie etwa die Gaspreisbremse. Auf der Agenda steht eine Reihe weiterer Projekte wie die Kindergrundsicherung und neue Regelungen zur beruflichen Weiterbildung.
Die zahlreichen und vielfältigen Fragen aus dem Publikum vom Fachkräftemangel, über die Möglichkeiten des Ausbaus von erneuerbaren Energien bis hin zu Panzerlieferungen an die Ukraine zeigen das große Interesse am Austausch und der Einschätzung der Expert*innen.
In der anschließenden Pause werden die Gespräche mit den Referent*innen fortgesetzt. Auch die Landespolitik kommt hierbei keineswegs zu kurz. Mit den Landtagsabgeordneten im Kreisverband Norbert Knopf und Hermino Katzenstein werden aktuelle Fragestellungen vor Ort besprochen.
Nach den Ehrungen für langjährige Mitgliedschaften bei Bündnis 90/ Die Grünen und dem Dank an die Referent*innen klingt ein rundum gelungener Neujahrsempfang mit Live Musik durch die „KleinRaumBand“ , bei Speisen, Getränken und vielen interessanten Gesprächen langsam aus.
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30.06.20 –
Wie gehen Landwirtschaft und Ernährung krisenfest und zukunftstauglich?
Mit dieser Frage hatte sich der Kreisverband Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/Die Grünen ein spannendes und vielschichtiges Thema zur Brust genommen. Auf dem Online-Podium saßen Harald Ebner MdB, Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion für Waldpolitik sowie für Gentechnik und Bioökonomiepolitik, Beate Laible, Landwirtin und Diplomagraringenieurin aus Helmstadt-Bargen und der Maisbacher Landwirtschaftsmeister und Vorsitzende der Marktgemeinschaft Kraichgaukorn Roland Waldi.
„Ein kaputtes System“
Wie es nicht geht hatten gerade große Schlachtbetriebe wie Tönnies demonstriert. Kreisgeschäftsführer und Moderator Jörg Fürstenberger stellt fest, dass die Corona-Ausbrüche ein grelles Schlaglicht auf das kaputte Fleischsystem werfen.
„Die Missstände sind lange bekannt, um sie abzustellen haben wir schon vor Jahren Anträge gestellt“, betont Harald Ebner, der es sehr begrüßt, dass jetzt auch Minister Heil Werkverträge verbieten will. „Gut gebrüllt, Löwe, aber er muss es jetzt auch tun!“
Ebner kritisiert den Versuch, die großen Schlachtbetriebe mit ihrem Billigfleisch als ‚systemrelevant‘ darzustellen und fragt: „Soll es Fleisch nur noch auf dem Rücken der Arbeiter und der Tiere geben damit Clemens Tönnies Milliarden anhäufen kann?“ Fleisch und andere tierische Produkte müssten dringend raus aus dem Ramschregal. Fair und gut erzeugte Lebensmittel seien auch im Sinne der Erzeuger und aller, die davon leben.
Staatsziel Tierschutz wird nicht umgesetzt
Seit 2002 stehe Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz - getan habe sich wenig. So habe es die Bundesregierung auch sieben Jahre nach dem Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration noch nicht geschafft, dieses auch umzusetzen. Die bestehenden Kastenstände für Muttersauen sind schon lange illegal, doch an den Haltungsbedingungen, die Schmerz und Leid erzeugen, wird unter dem Druck der Branche festgehalten.
Auch sonst steht Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner beim nötigen Umbau der Tierhaltung auf der Bremse, selbst die Ergebnisse der von ihr selbst eingesetzten Borchert-Kommission fanden zunächst wenig Berücksichtigung. Die von Tönnies und Co. verursachte öffentliche Aufmerksamkeit hat nun aber offensichtlich etwas bewegt. Die Koalition will im Bundestag einen Antrag an sich selbst stellen, die - nicht sehr weitreichenden - Empfehlungen der Kommission aufzugreifen. Ebner fordert aber mehr, etwa bei den Themen Qualzucht und verpflichtende Haltungskennzeichen. „Wer Billigfleisch kauft, muss sehen woher es kommt.“
Wachse UND weiche
Seit der Jahrtausendwende haben in Baden-Württemberg 18 000 Schweinehalter aufgegeben. Und auch ein Milchpreis unter 30 Cent reicht nicht zum Leben. ‚Wachse oder Weiche’ sei tatsächlich gar keine Alternative, macht Ebner deutlich und charakterisiert das System treffend mit „Wachse UND Weiche“.
Das Höfe-Sterben gehe einher mit einer Intensivierung der Landwirtschaft, die wiederum die Biodiversitätskrise befeuert. „Die großen Herausforderungen können wir aber nur bewältigen, wenn die Ökosysteme funktionieren - Stichwort: Bestäuber“, betont er.
Im dritten Dürrejahr gehe es für die Landwirtschaft auch um Anpassungen an den Klimawandel. Investiert werden müsse in den Humusaufbau, vielfältige Fruchtfolgen und die Stabilität der Agrarökosysteme. Auch die Gesamtmenge der ausgebrachten Pestizide müsse reduziert werden. Dabei könnten Innovationen wie Feldroboter, die Unkraut jäten oder Saaten ausbringen, helfen.
Auch die ‚neue Gentechnik‘ ist keine Lösung
Obwohl schon hunderte Millionen Euro öffentliche Mittel in die Erforschung der Gentechnik im Landwirtschaftsbereich gesteckt wurden hätten sich die Erwartungen bisher nicht erfüllt. Nur ein Bruchteil des Geldes wurde in die konventionelle Züchtung trockenverträglicher Sorten investiert, und das sehr viel erfolgreicher.
Dass eine kleine Gruppe von Grünen nun fordert, neue gentechnische Methoden (CRISPR/Cas-Methode, auch Genschere genannt) aus der gesetzlichen Regelung für Gentechnik auszunehmen, sieht er kritisch. „Das ist keine Lösung“, betont Ebner, der sich für eine klare Kennzeichnungspflicht, Risikoforschung sowie das Vorsorgeprinzip ausspricht und dabei sowohl die Bundestagsfraktion sowie die Grünen-Fraktion im Europaparlament hinter sich weiß.
Wie der Rechnungshof kürzlich feststellte, verfehle die Gemeinsame Agrarpolitik der EU die umweltpolitischen Ziele. „Umweltverträgliche Landwirtschaft muss auch auskömmlich sein“, betont der Abgeordnete und fordert eine Orientierung am Gemeinwohl statt Direktzahlungen pro Hektar Fläche. Doch für den Green Deal und die Farm to Fork Strategie der EU zeige Landwirtschaftsministerin Klöckner wenig Begeisterung. Und auch im Agrarausschuss seien die Beharrungskräfte groß. Statt weiterhin vergeblich mit den dortigen Lobbyisten zu verhandeln, habe sich der Umweltausschuss nun entschlossen, die Verhandlungen in das EU-Parlament zu verlagern.
Umstellung auf Biolandwirtschaft
Doch wie sehen sich die heimischen Praktiker*innen aufgestellt?
Beate Laible ist auf einem landwirtschaftlichen Hof in Helmstadt-Bargen aufgewachsen und hat nach einigen Semestern Verfahrenstechnik Landwirtschaft in Hohenlohe studiert. Erst nach dem Studium hat sie sich entschieden, auf dem elterlichen Hof zu bleiben. Mit der Schweinehaltung hat sie 2009 aufgehört, auch weil sie die Kastenstände ablehnte. Ihren Ackerbaubetrieb mit 190 Hektar stellt sie seit 2018 auf ökologischen Landbau um. „Ich habe immer schon Sympathie für Bio gehabt“, sagt sie. Dabei sind die Herausforderungen beträchtlich: In der Umstellungsphase muss sie zwei Jahre lang Viehfutter produzieren, das sie nicht als Bio verkaufen kann. Auch ist sie verpflichtet, Kleegras anzubauen. „Das bringt zwar keine Erträge, sorgt aber für eine gute Durchwurzelung des Bodens und ist gut für die Humusbildung. Es braucht Zeit, bis sich der Boden regeneriert hat“, erläutert sie. Da in letzter Zeit größere Ackerbaubetriebe umgestellt haben, bemerkt sie zudem einen Preisverfall.
Regionale Versorgungsketten
Roland Waldi, der auf seinen Getreidefeldern keine Pestizide einsetzt und mit der Marktgemeinschaft Kraichgaukorn und dem Qualitätsfleischprogramm Neuland einen eigenen Weg geht, wünscht sich für sein Modell mehr Unterstützung aus der Politik und bessere Rahmenbedingungen. Mit einer entsprechenden Kennzeichnung und Tierwohl-Klassifikation müsse der Verbraucher erkennen können, was in der Packung drin ist und wo das Produkt herkommt. Kritik übt er auch an der deutschen Bürokratie, die bei Betriebskontrollen immer pingeliger werde. „Schlachthöfe müssen hohe Auflagen erfüllen und schmeißen das Handwerk, auch weil sie mit Tönnies und Co. nicht mithalten können“, weiß er. Da er seine Felder in Maisbach nicht beregnen könne, sei er stark vom Wetter abhängig. Waldi wehrt sich dagegen, dass für die Biodiversitätskrise die Landwirtschaft in Haft genommen wird.
Unterstützung bekommt er von Beate Laible. „Das ist ein Problem von uns allen, jeder sollte überlegen, was er beiträgt“, sagt sie. Naturnahe Landwirtschaft und Tierwohl könne man auch mit dem Einkauf unterstützen, etwa indem man weniger, dafür aber hochwertigeres Fleisch kaufe.
Reine Kreislaufwirtschaft gibt es in der Landwirtschaft nicht, das Ziel sei aber ressourcenorientiert zu arbeiten, betont Harald Ebner. So wie im Rheintal Beregnungsanlagen großzügig das Wasser durch die Luft spritzen, verdunste ein großer Teil und das Grundwasser werde dennoch leergepumpt. Die EU Agrarpolitik sollte Gemeinwohlleistungen nach dem Baukastensystem honorieren, dann könnte auch Roland Waldi mit seinem Ansatz profitieren.
Wie ernährt SICH die Welt?
In der anschließenden Diskussion geht es unter anderem um internationalen Handel versus lokale Produktion. „Wie ernähren wir die Welt“, sei die falsche Frage, betonte Ebner. Es müsse heißen „Wie ernährt sich die Welt“. Wichtig sei die Ernährungssouveränität vor Ort wie auch die Frage: Kann sich’s jemand leisten? Diese Fragen könnten mit Gentechnik und Importen nicht gelöst werden.“
Jürgen Kretz aus Wiesloch ist von seinem Auslandsaufenthalt im Kongo zugeschaltet und berichtete von der dortigen Situation. Das fruchtbare Land sei durch Krieg und Vertreibung geschwächt und könne die Handelswege Richtung Europa und Asien nicht nutzen. Der panafrikanische Freihandel aber sei wegen Corona derzeit noch behindert.
Ökolandbau in die Ausbildung!
Davon, dass Roland Waldis Sohn in der Ausbildung zum Landwirt kaum etwas über ökologischen Landbau erfährt, zeigt sich Landtagsabgeordneter Hermino Katzenstein überrascht. „Wen muss ich ansprechen?“, fragt er, doch Harald Ebner stellt klar, dass für die Ausbildung nicht das Land, sondern der Bauernverband zuständig ist.
Verlässlichkeit von Investitionen sind Beate Laible wichtig. War beim Biofutter zunächst noch eine Zumischung möglich, sei nun ein Anteil von 100 Prozent Bio gefordert.
Es brauche mehr regionale Verarbeitungs- und Absatzstrukturen nach dem Vorbild von Kraichgaukorn.
Mehr Bio in die Außer-Haus-Verpflegung
Das Gesetz für mehr Artenvielfalt sieht eine Erhöhung des Bioanteils in der Landwirtschaft auf bis zu 40 Prozent bis 2030 vor. Doch wie kann die Nachfrage erheblich gesteigert werden? Bio in öffentlichen Mensen und Kantinen wären ein großer Hebel. Doch auch wenn Städte wie Kopenhagen es vormachen und im baden-württembergischen Koalitionsvertrag was dazu steht, weiß Harald Ebner um die Herausforderungen: „Das ist eine Riesennummer, da gibt es richtig viel zu tun.“
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