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Zu Beginn des Vortrags berichtet Harald Ebner über aktuelle Krisen, man hätte manchmal das Gefühl in einem ständigen Krisenmodus zu sein, Ukrainekrieg jetzt der Konflikt in Israel und weitere. Es sei verständlich, dass alle diese Krisen und auch schon länger bestehende wie die Klimakrise und die Biodiversitätskrise von den Menschen auch emotional verarbeitet werden müssen.
Die Biodiversitätskrise wartet allerdings nicht, macht der Abgeordnete deutlich und bedauert, dass das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf EU-Ebene vorerst an der konservativen EVP gescheitert ist. Er fordert, Klimaschutz, Klimaanpassung und Artenschutz zusammenzudenken.
Harald Ebner führt aus: Die Artenvielfalt bildet ein Netz, das uns trägt. Sechs der neun planetaren Grenzen sind schon überschritten, dazu gehören Chemieeinträge, schwindende Frischwasserreserven, das größte Artensterben seit es die Menschheit gibt und nicht zuletzt die Klimakrise, die auch viele Arten bedroht. „Wir sind es, die auf dem Netz stehen – und mit jedem Knoten wird das Netz brüchiger und werden die Lücken größer.“
Mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ sollen die natürlichen Systeme gestärkt werden. Über Jahrtausende wurde Kohlenstoff in mächtigen Torfschichten gespeichert. Werden Moore entwässert, wird der gebundene Kohlenstoff auf einen Schlag freigesetzt. Auch Meere und Wälder können große Mengen CO2 aufnehmen und als Kohlenstoff langfristig speichern.
Wichtig für den Wasserhaushalt im Wald sind ein reiches Bodenleben und die Wahl der Baumarten. So finde unter Douglasien viel weniger Grundwasserneubildung statt als unter Buchen.
Im Zuge der nationalen Wasserstrategie geht es auch um regionale Versorgungskonzepte. Bei knapper werdenden Trinkwasserreserven muss geklärt werden, wer welche Entnahmerechte hat und wie die Trinkwasserversorgung gesichert werden kann. Und auch, wie mehr Fläche für Versickerung zur Verfügung gestellt werden kann, damit nicht alles buchstäblich den Bach runter läuft.
Auch für nachhaltige Landwirtschaft ist ein vielfältiges Bodenleben unverzichtbar. Auf den Feldern werfen Bäume und Hecken Schatten, bremsen den Wind und erschließen mit ihren tieferen Wurzeln Wasser und Nährstoffe. Aber auch eine abwechslungsreiche Fruchtfolge wirkt Austrocknung entgegen. Vermehrt werden zudem trockenresistente Sorten wie Soja, Hirse, Linsen und Kichererbsen angebaut.
Als Beispiel für Selbsthilfe berichtet der Abgeordnete von Wein-Bauern, die gemeinsam ein Wasserbecken gebaut haben und ihre Felder im Tröpfchenverfahren sparsam bewässern.
Ein wichtiges Thema für den Klimaschutz sind auch Gebäudesanierungen – viele Gemeinden warten auf Förderzusagen.
Mit dem neuen Klimaanpassungsgesetz wird erstmals die Anpassung an die Folgen der Klimakrise als staatliche Aufgabe und Teil der Daseinsvorsorge im Bundesrecht verankert. Bund, Länder und Kommunen werden verpflichtet, eine Klimarisikoanalyse zu machen und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
In der Diskussion mit den Kommunalpolitiker*innen vor Ort ist der Flächenverbrauch ein großes Thema. „Unternehmen müssen immer Wachstum erzielen, das ist ein Grundproblem, auf das noch niemand eine Antwort gefunden hat“, sagt der Politiker.Die Regionalplanung habe bisher nur dazu geführt, dass es länger dauert.
Als einen möglichen Ansatz nennt er einen Handel mit Flächenzertifikaten, vergleichbar mit Emissionszertifikaten.
Mit Blick auf die schwierige Haushaltslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert der Politiker die Opposition zu einer konstruktiven Haltung auf. „Wir brauchen eine intelligentere Schuldenbremse, die Zukunftsinvestitionen ermöglicht.“
Verschiedene weitere Fragen aus dem Publikum auch zu aktuellen Themen im Bundestag wie den Haushaltsplanungen 2023 und 2024 wurden gestellt.
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Gute Stimmung herrschte bei der Jahreshauptversammlung (JHV) des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/Die Grünen in Meckesheim, zu der sich viele Mitglieder und Interessierte eingefunden hatten.
Petra Groesser berichtete im Rechenschaftsbericht des Kreisvorstands über die zahlreichen Aktivitäten und Veranstaltungen des Kreisverbands seit der letzten JHV.
Sie nannte die Veranstaltung mit Staatssekretär Dr. Andre Baumann MdL und Hermino Katzenstein MdL im November 2022 zum Thema Windkraft und den gut besuchten Neujahrsempfang mit Reinhard Bütikofer MdEP und Beate Müller-Gemmeke MdB Anfang Februar.
Auf großes Interesse stieß auch die Veranstaltung mit Staatssekretärin Dr. Franziska Brantner MdB und weiteren Podiumsgästen am 5. Mai 2023 zu erneuerbaren Energien.
Im Rahmen einer spannenden und emotionalen Gesprächsrunde mit dem Europaabgeordneten Romeo Franz am 12. Mai 2023 in Spechbach nahm sich der Kreisverband den wichtigen und aktuellen Themen Rassismus und Integration am Beispiel der Situation der Sinti und Roma an.
Darüber hinaus gab es Treffen der thematischen Arbeitskreise und weitere Aktivitäten, Veranstaltungen und Initiativen des Kreisverbands. Mit den Ortsverbänden und den Abgeordneten im Kreisverband Hermino Katzenstein und Norbert Knopf wurde ein intensiver Austausch gepflegt.
Kreisschatzmeisterin Petra Groesser präsentierte den Kassenbericht, der für 2022 ein gutes finanzielles Polster ausweist. Dieses werde für kommende Wahlen auch benötigt, verdeutlichte sie.
Vorstand und Schatzmeisterin wurden einstimmig entlastet.
Im Folgenden stand turnusgemäß die Wahl des Kreisvorstands auf der Tagesordnung. Gewählt wurden Jutta Münch, Gabi Schmitz und Patrick Berberich sowie die bisherigen Vorstandsmitglieder Sabine Hebbelmann, Kai Jacob, Rolf Kazmaier und Nico Tremmel.
Petra Groesser wurde als Kreisschatzmeisterin einstimmig in ihrem Amt bestätigt.
Laut Satzung des Kreisverbandes sind die Mitglieder des Vorstands gleichberechtigt.
Im Anschluss klang der Abend beim traditionellen Grünen Sommerfest mit vielen Gesprächen, leckerem Essen mit Getränken und guter Laune aus.
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Das Thema Energiewende betrifft in besonderer Weise auch private Haushalte und Unternehmen. Als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist die Heidelberger Bundestagabgeordnete Franziska Brantner ganz nah an den aktuell heiß diskutierten Themen dran. Und so wunderte es nicht, dass bei der Veranstaltung ‚Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?‘ das Martin-Luther-Haus in Neckargemünd rappelvoll wurde.
Eingeladen hatten der Kreisverband Odenwald Kraichgau von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN und der Ortsverband Neckargemünd. Neben Franziska Brantner saßen auch Eva Rausch, Mitinhaberin eines Rauenberger Unternehmens für Gebäudetechnik, der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau Florian Oeß sowie Umweltphysikerin Amany von Oehsen auf dem Podium.
Als Moderator lockte Stefan Geißler, Kreisrat und Vorsitzender des Ortsverbandes Neckargemünd, die Podiumsgäste aus der Reserve und sorgte für einen lebhaften Austausch.
Mit „Franziska, wie geht es Dir?“ begrüßte er Staatssekretärin Franziska Brantner, die angesichts der aktuellen Herausforderungen den Ball aufnahm: „Es ist schon sehr viel im Augenblick“, räumte sie ein und lenkte den Blick auf ein Thema, das medial bisher nicht diskutiert wurde. „Wir haben viel Zeit mit der Digitalisierung der Energiewende verbracht und sehen, welchen Unterschied es macht“, sagte sie.
Ihr überfordert die kleinen Leute, sagten die einen, die anderen, es passiere noch nicht genug, so Geißler. Die Staatssekretärin verwies auf Übergangsfristen und sagte, man wolle niemanden zurücklassen und zeigen, dass Wohlstand und Klimaschutz zusammengehen.
Der Kreisrat sprach das schlechte Abschneiden Baden-Württembergs und insbesondere der Region beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an, worauf Brantner auf die Vorreiter-Rolle in einer anderen „Disziplin“ verwies: „Bis Ende des Jahres müssen die großen Kommunen eine Wärmeplanung machen. Wir sind das erste Land, das erkannt hat, dass wir eine Wärmewende brauchen.“
Geißler wandte sich nun Eva Rausch zu und fragte sie nach der Stimmung in der Kundschaft. „Es gibt ganz viele, die wollen umstellen, aber rund ein Drittel fragt, wo kriege ich noch eine Ölheizung her“, berichtete sie. Auf die Frage, was sie der Staatssekretärin gern mitgeben würde, äußerte die Praktikerin: „Ich würde mir stressfreiere Anmeldungen von Anlagen wünschen. Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es bis zu sieben Netzbetreiber. Da müssen noch Papierausdrucke händisch unterzeichnet und per Mail verschickt werden. Es wäre schön, wenn das einheitlich liefe.“
Zu den über 900 Netzbetreibern zählten vor allem kommunale Stadtwerke. „Das ist eine große Stärke. Aber hier sieht man auch die Grenzen des Föderalismus“, sagte Brantner und versicherte: „Wir versuchen, eine gemeinsame Plattform zu eröffnen.“
Angesichts des Mangels an Fachkräften wünschte sich Rausch eine leichtere Anerkennung gleichwertiger Abschlüsse aus dem Ausland. „Wenn von zehn Punkten zwei fehlen, sollten sie nachgeholt werden können und nicht die ganze Ausbildung von vorn begonnen werden müssen.“
Stefan Geißler berichtete, dass die Unternehmerin und er versuchten, im Kreis dem Fachkräftemangel im Photovoltaik-Bereich mit einer Fortbildung zu begegnen. Grundsätzlich gebe es für Elektrofachbetriebe die Möglichkeit, für bestimmte Aufgaben innerhalb von zwei Wochen „Elektrotechnisch unterwiesene Personen“ (EuP) anzulernen.
Amany von Oehsen begleitet die Energiewende sowohl als Wissenschaftlerin wie auch als Energieberaterin im Nebenberuf. Sie sieht aktuell Licht und Schatten. PV auf Gebäuden sollte durch eine Anpassung der Einspeisevergütung besser gefördert werden, forderte sie. „Wir gehen auf den Acker, weil sich die PV auf der Fabrikhalle weniger lohnt“, bemerkte sie. Nachholbedarf sah sie auch bei der Energieeffizienz und bei der Gebäudedämmung.
Aktuell würden E-Fuels und Kernfusion diskutiert …, so Geißler.
„Es gibt schon lange Studien, die zeigen, dass es möglich ist zu hundert Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen“, entgegnete die Wissenschaftlerin und machte zugleich deutlich, dass es mit den Klimazielen nicht vereinbar sei, in größerem Umfang Holz zu verbrennen: „Buchen brauchen 80 Jahre bis sie ‚erntereif‘ sind. Und wir wissen nicht, ob die Bäume in Zukunft noch nachwachsen.“
Die Energiewende sei von Enthusiasten beseelt, die sich ehrenamtlich engagieren, bemerkte Geißler und stellte Florian Oeß vor. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau sei Verfechter einer dezentral organisierten Energiewende, die von der Bürgerschaft getragen wird.
Der machte deutlich: „Es reicht nicht, nur die Energiequelle auszutauschen. Ich behaupte, dass wir in den Bürgerenergiegenossenschaften große Kompetenzen haben. Die Bürgerenergie ist sozial gerecht, für die Beschleunigung der Energiewende brauchen wir die Bürger.“
Geißler sprach den Wind über dem Neckargemünder Lammertskopf an, wo drei Bürgerenergiegenossenschaften und die Stadtwerke Heidelberg gemeinsam ein Bürgerwindpark-Projekt voranbringen wollen. Auch wenn Forst BW sich gegen eine Sondervergabe stellt, will das regionale Konsortium nicht aufgeben und sich an der regulären Ausschreibung der Staatsforstflächen beteiligen, berichtete Oeß und sagte: „Jetzt gilt es, die Daumen zu drücken!“
DISKUSSION
Lebhaft diskutiert wurde über die Heizungsumstellung auf erneuerbare Energien, die viele persönlich betrifft. Gebäudesanierung, Heizungsumstellung und Dämmung sind oft mit großem Aufwand und Investitionen verbunden. Finanziell Schwächere könnten das nicht leisten und müssten gezielt unterstützt werden.
Es brauche kommunale Wärmenetze und die Möglichkeit der Gemeinschaftswärmeerzeugung, da nicht jede Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden könne.
Aus Gründen des Klimaschutzes sollte die Förderung für Pelletheizungen gestrichen und stattdessen die von Wärmepumpen und Geothermie erhöht werden.
Weitere Fragen und Anregungen deckten ein breites Spektrum ab: Die Struktur des Netzes und sein Ausbau sollten auf die Dezentralisierung des Energiesystems abgestimmt werden. Smartmeter seien derzeit noch teuer und hätten, solange es keine flexiblen Tarife gibt, wenig Nutzen. Auch für die teuren Weiterbildungen für Handwerker sollte es Geld vom Staat geben.
Mit Anpassungen bei der Landesbauverordnung müssten Vorhaben wie Parkplatzüberdachungen erleichtert werden.
Angeregt wurden Beratungsstrukturen, besonders für ältere Menschen. Insgesamt sollte die Regierung wieder mehr erklären, warum sie etwas tut.
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Bis auf den letzten Platz mit Mitgliedern und Interessierten gefüllt ist der Saal im Kulturhaus Wiesloch beim Neujahrsempfang 2023 des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/ Die Grünen.
Im Rahmen ihrer Begrüßung geht Petra Groesser, Mitglied des Kreisvorstands auf die aktuelle politische Situation ein. Die mit dem Ukrainekrieg einhergehenden Veränderungen und mitunter schwierigen politischen Entscheidungen in Berlin haben auch die Parteibasis stark bewegt .
Gabriela Lachenauer, Kai Jacob und Jürgen Kretz stellen sich den Anwesenden als neuer Vorstand des Ortsverbands Wiesloch von Bündnis 90/ Die Grünen vor. In seiner Rede gibt Jürgen Kretz einen kurzen Überblick zum Geschehen vor Ort und bekräftigt wie wichtig es sei, dass in diesen schwierigen Zeiten Grüne Ministerinnen und Minister in Berlin Verantwortung übernehmen.
Wieslochs OberbürgermeisterDirk Elkemann spannt in seinem Grußwort einen Bogen von aktuellen Themenfeldern der Europapolitik und Bundespolitik zu seinen persönlichen Hoffnungen und Wünschen für das neue Jahr.
Als Höhepunkt der Veranstaltung wird in der von Jürgen Kretz moderierten Podiumsdiskussion ein breiter Strauß an Themen diskutiert. Reinhard Bütikofer MdEP als anerkannter Experte für Außenpolitik informiert über aktuelle Fragestellungen und Entscheidungen im Europaparlament und legt seine Einschätzung zur aktuellen Situation und der Zusammenarbeit innerhalb der EU und zum Verhältnis mit China und den USA dar.
Beate Müller-Gemmeke MdB berichtete über aktuelle Initiativen und Projekte im Bundestag zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Im Kontext der Diskussionen zum Bürgergeld mahnt sie eine sachliche Diskussion über Inhalte statt teils populistischer Äußerungen an. Insgesamt hat die Ampel-Koalition in 2022 mehr als 100 Gesetze im Bundestag verabschiedet, viele davon auch zur Abmilderung der Folgen des Ukrainekriegs wie etwa die Gaspreisbremse. Auf der Agenda steht eine Reihe weiterer Projekte wie die Kindergrundsicherung und neue Regelungen zur beruflichen Weiterbildung.
Die zahlreichen und vielfältigen Fragen aus dem Publikum vom Fachkräftemangel, über die Möglichkeiten des Ausbaus von erneuerbaren Energien bis hin zu Panzerlieferungen an die Ukraine zeigen das große Interesse am Austausch und der Einschätzung der Expert*innen.
In der anschließenden Pause werden die Gespräche mit den Referent*innen fortgesetzt. Auch die Landespolitik kommt hierbei keineswegs zu kurz. Mit den Landtagsabgeordneten im Kreisverband Norbert Knopf und Hermino Katzenstein werden aktuelle Fragestellungen vor Ort besprochen.
Nach den Ehrungen für langjährige Mitgliedschaften bei Bündnis 90/ Die Grünen und dem Dank an die Referent*innen klingt ein rundum gelungener Neujahrsempfang mit Live Musik durch die „KleinRaumBand“ , bei Speisen, Getränken und vielen interessanten Gesprächen langsam aus.
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26.10.18 –
(heb) „Das werden sehr wichtige Monate“, betont der Grünen Europaabgeordnete Sven Giegold und meint die Zeit bis zur Europawahl im Mai kommenden Jahres. Der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament und Obmann der grünen Fraktion im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzpolitik kommt auf Einladung des grünen Kreisverbandes Odenwald-Kraichgau direkt aus Straßburg. Sein Thema im Kulturhaus Wiesloch: ‚Europa statt Nationalismus‘.
„Extreme Rechte hassen das europäische Projekt, das erleben wir jeden Tag im Europäischen Parlament“, berichtet Giegold. Er warnt mit ernster Miene vor den Gegnern Europas, die mit Emotionen arbeiten und einfache Antworten versprechen in einer Welt, die sich mit immer höherer Geschwindigkeit ändert, die zunehmend komplex und vernetzt ist und in der der globale Wettbewerb schärfer wird. „Sie wollen sich hinter die nationalen Grenzen zurückziehen und die EU zurückstutzen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Doch das sei nur eine Scheinlösung. Der Politiker macht deutlich: Probleme wie Steuerdumping oder Wirtschaftskriminalität lassen sich national nicht lösen. Für die Rechtpopulisten seien die Grünen das Hassobjekt schlechthin, da sie für das genaue Gegenteil einstehen: für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Wahlmöglichkeiten und eine offene und tolerante Gesellschaft.
Zwei Dinge empfiehlt er, um den Europa-Gegnern Paroli zu bieten: „Erstens: Feiern was wir mit Europa erreicht haben und zweitens: uns den Problemen stellen und Antworten geben.“
Vieles scheint inzwischen selbstverständlich: 70 Jahre Frieden, freie Grenzen innerhalb Europas („über die unsäglichen Grenzkontrollen redet keiner mehr“), keine Roaming-Gebühren („was war das für eine Abzocke“) oder auch die Tatsache, dass zehn Prozent des Landes als Naturschutzflächen ausgewiesen sind.
Es gebe eine Million Erasmuskinder deren Eltern sich über das europäische Förderprogramm kennengelernt haben und die nun am gemeinsamen Familientisch sitzen. „Darüber müssen wir emotional reden!“, sagt er und fragt: „Warum hängt hier keine Europafahne?“
Die Europäische Union wurde 1992 als Wertegemeinschaft gegründet, nicht als Interessensgemeinschaft, betont der Europaabgeordnete und verweist auf die europäischen Verträge und die Grundrechtecharta. Beitrittskandidaten müssen die strengen Kopenhagener Kriterien erfüllen, um Vollmitglied der EU zu werden. „Wer aber bereits Mitglied ist, kann machen was er will“, stellt Giegold mit Blick auf autoritäre Tendenzen in einigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten fest.
Doch wie geht man mit anti-europäisch eingestellten Regierungen um? Die Grünen im Europaparlament wollen gegen Staaten, die in relevantem Umfang gegen diese Kriterien verstoßen, neue Sanktionsformen: Kommunen, Nichtregierungsorganisationen oder Unternehmen aus diesen Ländern sollten Anträge direkt in Brüssel stellen können. So würde das Geld weiterhin dort ankommen, wo es gebraucht und sinnvoll verwendet wird, aber die Vergabemacht läge nicht mehr bei den nationalen Regierungen.
Überall, wo Regierungen autoritär würden, gingen junge Menschen zu Tausenden mit Europafahnen auf die Straße und demonstrierten für europäische Werte. Wichtig sei, an einem Netz von unten zu knüpfen und die persönlichen Verbindungen der europäischen Zivilgesellschaft, etwa durch Partnerschaften, zu pflegen. „Wir dürfen uns das nicht kaputtmachen lassen - ein Europa, das für die Grundrechte eintritt, ist es wert verteidigt zu werden.“
Dabei gingen ihm die „Feiertagseuropäer“, die sagten, „Europa ist so toll, jetzt seid mal ruhig“, auch auf den Nerv. Stattdessen gelte es, über konkrete Probleme zu sprechen.
Als ‚Mutter aller Probleme‘ beim Thema Flucht und Migration bezeichnet er das Dubliner Übereinkommen, wonach derjenige Mitgliedstaat den Asylantrag zu prüfen hat, in den der Flüchtling zuerst eingereist ist. Erst 2015 habe Deutschland angefangen, sich für eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU einzusetzen. „Das ist keine überzeugende Position“, so Giegold.
Zugleich kritisiert er den gescheiterten Versuch, Ungarn und Polen zur Aufnahme zu zwingen. Stattdessen unterstützen die Grünen den Vorschlag der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, wonach Kommunen oder Landkreise die Möglichkeit bekommen sollen, direkt von der EU Unterstützung zu bekommen, wenn sie Flüchtlinge aufnehmen. „Das würde die Konfliktlage umdrehen und diejenigen stärken, die sich solidarisch verhalten.“
Giegold spricht sich für eine gemeinsame geordnete Migrationspolitik und sichere und legale Zugangswege aus. „Wir haben zwar ein Asylrecht, aber wenn man nicht illegal nach Europa einreist, hat man keine Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen“, stellt er fest. Über die Bekämpfung von Schleppern werde viel geredet, doch darüber, wie die Leute ihren Asylantrag stellen können ohne Schlepper zu bezahlen, höre man nichts. Wichtig sei auch festzustellen, wer Schutzrecht hat. „Das Recht haben wir."
Deutschland hat enorm profitiert vom gemeinsamen Binnenmarkt, doch in Südeuropa haben Arbeitslosigkeit und Armut stark zugenommen. „Wie kommen wir zu mehr Solidarität?“, fragt der Europapolitiker. Den Vorschlag eines europäischen Länderfinanzausgleichs hält er aufgrund fehlender Anreize für keine gute Idee. Stattdessen spricht er sich für europäische Gemeinschaftsprojekte wie den Ausbau des Stromnetzes und der erneuerbaren Energien sowie ein grenzüberschreitendes Eisenbahnnetz aus. Als europäisches Förderprogramm für Auslandsaufenthalte sollte das Erasmus-Programm nicht nur Studierenden, sondern auch Auszubildenden zugutekommen. „Das beste Programm gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“, wie er findet.
Nach dem Willen der europäischen Grünen soll Europa noch demokratischer und transparenter werden. Etwa durch ein Lobbyregister, in dem die Abgeordneten offenlegen, mit wem sie sich treffen. Im Europaparlament gebe es jetzt schon mehr Transparenz als im Bundestag oder im Landtag, denn jede Ausschusssitzung lasse sich im Internet in der eigenen Sprache verfolgen. Laut Giegold sieht es beim Rat der Europäischen Union, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten sind und der gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als Gesetzgeber tätig ist, ganz anders aus. Die Ratssitzungen und die Protokolle seien nichtöffentlich. Und so könnten sich die nationalen Regierungen populäre Beschlüsse ans Revers heften und die unpopulären auf Brüssel schieben. Und das unabhängig davon, wie ihre Vertreter im Rat abgestimmt haben. Um das zu ändern und die Entscheidungen transparenter und damit demokratischer zu machen wollten die Grünen im Europaparlament erreichen, dass die Protokolle des Rates veröffentlicht werden.
Im Europaparlament gebe es seit langem eine Mehrheit für eine echte Finanztransaktionssteuer, auch dank des Einsatzes der europäischen Sozialdemokraten, berichtet Giegold und ergänzt: „Dafür sind wir über 15 Jahre angetreten.“ Doch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) benenne die Börsenumsatzsteuer einfach um in Finanztransaktionssteuer, obwohl nicht Aktien, sondern Derivate den Großteil kurzfristiger Börsengeschäfte ausmachten. Ohne die Besteuerung von Derivaten werde der Schaden von spekulativen Übertreibungen an den Finanzmärkten weiterhin auf die Gesellschaft abgewälzt. Es sei grotesk, dass gerade ein sozialdemokratischer Finanzminister die Finanztransaktionsteuer nun faktisch begraben wolle - er sei darüber „stinksauer“. „Lesen Sie die Packungsbeilage - ich nenne es Etikettenschwindel“, ärgert sich Giegold und betont: „Wir wollen keine Kleine-Leute-Steuer.“
Sinn für Steuergerechtigkeit fehle Olaf Scholz auch beim Thema Digitalsteuer. Die Einführung für Unternehmen wie Google und Apple lehne Scholz ab, die Internetgiganten sollen weiterhin nur einen Bruchteil dessen zahlen, was andere Unternehmen an Steuern berappen müssen. Deutschland bremse auch bei der auf EU-Ebene geplanten Umsatzsteuerreform, bei der es unter anderem darum geht, Betrügern das Handwerk zu legen.
„Schreiben Sie Herrn Scholz“, rät der Finanzexperte.
Nachdem die Zuhörer aufmerksam zugehört haben, gibt es viele Fragen. Beispiel Freihandel: „Was kann man tun gegen intransparente und unfaire Handelsabkommen?“ Die Bürgerbewegung habe alle in Brüssel überrascht, berichtet der Europaabgeordnete. „Das hat sehr wohl etwas bewirkt.“ Die Verfahren seien öffentlich geworden, nachdem er die Verhandlungsunterlagen geleakt habe, berichtet der Parlamentier. Die Substanz sei aber nicht geändert worden. „Ich habe nichts gegen Handelsabkommen, die fair sind und soziale und ökologische Standards beinhalten“, betont Giegold, der Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac ist. Globalisierung brauche ökologische und soziale Regeln. Bei Ceta, Jefta und dem Handelsabkommen Mercosur mit Südamerika, das durch billige Fleischimporte hiesige Bauern unter Druck setzt, sieht er aber ein Ungleichgewicht. „Das haben wir Grüne immer abgelehnt.“ Doch die Mehrheit aus CDU/CSU, SPD und FDP seien für diese Art Abkommen. „Dieses Problem müssen Sie als Wähler schon selbst an der Wahlurne regeln, das ist eben Demokratie“, stellt Giegold fest und schickt hinterher: „Gott sei Dank!“
Die Europapolitik müsste viel mehr erklärt werden, fordert eine Teilnehmerin. In Deutschland gebe es eine aktive mediale Öffentlichkeit, aus Brüssel erführen die Bürger viel weniger, bestätigt Giegold. Es sei es schwierig, 500 Millionen Europäer durch mitreißende Reden zu erreichen. Das liege auch an der Sprachbarriere. Die Nation habe eine gemeinsame Sprache, Kultur und Geschichte als Kraftquelle – das fehle Europa.
Er selbst biete aber einen Newsletter an, in dem er als Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament über aktuelle Verhandlungen im EU-Parlament und die jeweiligen grünen Positionen berichte. Dieser werde sehr stark nachgefragt.
Ein anderer ärgert sich, dass Rechtsnationale die Deutschlandflagge vereinnahmen. Ihnen müsste man sie wegnehmen und sagen: Das ist nicht eure Flagge, nicht euer Land. Doch damit tue sich die Linke schwer. Man könne die Deutschlandfahne mit Stolz schwenken, gibt ihm Giegold mit Blick auf des Hambacher Fest recht. Und er rät, gerade jetzt auch die Europa-Fahne hoch zu halten.
„Die Brexit-Gegner waren nicht laut genug“, mahnt Giegold mit Blick auf Großbritannien und nennt die Briten ein abschreckendes Beispiel. Die Versprechungen realisierten sich nicht, der Brexit sei noch nicht vollzogen. Angesichts der Mittel und der Art der Beeinflussung zieht er die Legitimität des Votums in Zweifel. „Wichtig ist, dass die Tür offenbleibt“, betont er.
„Sven Giegold ist für uns immer noch ein Bindeglied zu sozialen Bewegungen“, sagt Moderator Rolf Gramm, der 25 Jahre Mitglied des Kreisvorstands war. Er sieht die Grünen als Gegenpol zu den Rechtpopulisten. „Wir diskutieren gerade das Europawahlprogramm und ein neues Grundsatzprogramm“, sagt er. Über den Input freut sich auch Gabriela Lachenauer, Vorstandsmitglied im Kreisverband Odenwald-Kraichgau und im Ortsverband Wiesloch. Für den engagierten und gehaltvollen Vortrag dankt sie dem Europaabgeordneten mit einer Flasche Jubiläumswein des KV Odenwald-Kraichgau 1982–2017.
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