Neujahrsempfang des KV Odenwald-Kraichgau

Maßnahmen zur Klimaanpassung, wie lange trägt das Netz noch?

Klima- und Biodiversitätskrise warten nicht

Zu Beginn des Vortrags berichtet Harald Ebner über aktuelle Krisen, man hätte manchmal das Gefühl in einem ständigen Krisenmodus zu sein, Ukrainekrieg jetzt der Konflikt in Israel und weitere. Es sei verständlich, dass alle diese Krisen und auch schon länger bestehende wie die Klimakrise und die Biodiversitätskrise von den Menschen auch emotional verarbeitet werden müssen. 

Die Biodiversitätskrise wartet allerdings nicht, macht der Abgeordnete deutlich und bedauert, dass das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf EU-Ebene vorerst an der konservativen EVP gescheitert ist. Er fordert, Klimaschutz, Klimaanpassung und Artenschutz zusammenzudenken. 

Harald Ebner führt aus: Die Artenvielfalt bildet ein Netz, das uns trägt. Sechs der neun planetaren Grenzen sind schon überschritten, dazu gehören Chemieeinträge, schwindende Frischwasserreserven, das größte Artensterben seit es die Menschheit gibt und nicht zuletzt die Klimakrise, die auch viele Arten bedroht. „Wir sind es, die auf dem Netz stehen – und mit jedem Knoten wird das Netz brüchiger und werden die Lücken größer.“ 

Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutzsollen die natürlichen Systeme gestärkt werden. Über Jahrtausende wurde Kohlenstoff in mächtigen Torfschichten gespeichert. Werden Moore entwässert, wird der gebundene Kohlenstoff auf einen Schlag freigesetzt. Auch Meere und Wälder können große Mengen CO2 aufnehmen und als Kohlenstoff langfristig speichern.

Wichtig für den Wasserhaushalt im Wald sind ein reiches Bodenleben und die Wahl der Baumarten. So finde unter Douglasien viel weniger Grundwasserneubildung statt als unter Buchen.

Im Zuge der nationalen Wasserstrategie geht es auch um regionale Versorgungskonzepte. Bei knapper werdenden Trinkwasserreserven muss geklärt werden, wer welche Entnahmerechte hat und wie die Trinkwasserversorgung gesichert werden kann. Und auch, wie mehr Fläche für Versickerung zur Verfügung gestellt werden kann, damit nicht alles buchstäblich den Bach runter läuft. 

Auch für nachhaltige Landwirtschaft ist ein vielfältiges Bodenleben unverzichtbar. Auf den Feldern werfen Bäume und Hecken Schatten, bremsen den Wind und erschließen mit ihren tieferen Wurzeln Wasser und Nährstoffe. Aber auch eine abwechslungsreiche Fruchtfolge wirkt Austrocknung entgegen. Vermehrt werden zudem trockenresistente Sorten wie Soja, Hirse, Linsen und Kichererbsen angebaut.

Als Beispiel für Selbsthilfe berichtet der Abgeordnete von Wein-Bauern, die gemeinsam ein Wasserbecken gebaut haben und ihre Felder im Tröpfchenverfahren sparsam bewässern. 

Ein wichtiges Thema für den Klimaschutz sind auch Gebäudesanierungen – viele Gemeinden warten auf Förderzusagen. 

Mit dem neuen Klimaanpassungsgesetz wird erstmals die Anpassung an die Folgen der Klimakrise als staatliche Aufgabe und Teil der Daseinsvorsorge im Bundesrecht verankert. Bund, Länder und Kommunen werden verpflichtet, eine Klimarisikoanalyse zu machen und Anpassungsstrategien zu entwickeln. 

In der Diskussion mit den Kommunalpolitiker*innen vor Ort ist der Flächenverbrauch ein großes Thema. „Unternehmen müssen immer Wachstum erzielen, das ist ein Grundproblem, auf das noch niemand eine Antwort gefunden hat“, sagt der Politiker.Die Regionalplanung habe bisher nur dazu geführt, dass es länger dauert.

Als einen möglichen Ansatz nennt er einen Handel mit Flächenzertifikaten, vergleichbar mit Emissionszertifikaten. 

Mit Blick auf die schwierige Haushaltslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert der Politiker die Opposition zu einer konstruktiven Haltung auf. „Wir brauchen eine intelligentere Schuldenbremse, die Zukunftsinvestitionen ermöglicht.“

Verschiedene weitere Fragen aus dem Publikum auch zu aktuellen Themen im Bundestag wie den Haushaltsplanungen 2023 und 2024 wurden gestellt.

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Jahreshauptversammlung 2023: Neue Gesichter im Vorstand, Kreisverband ist gut aufgestellt

Gute Stimmung herrschte bei der Jahreshauptversammlung (JHV) des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/Die Grünen in Meckesheim, zu der sich viele Mitglieder und Interessierte eingefunden hatten.

Petra Groesser berichtete im Rechenschaftsbericht des Kreisvorstands über die zahlreichen Aktivitäten und Veranstaltungen des Kreisverbands seit der letzten JHV.

Sie nannte die Veranstaltung mit Staatssekretär Dr. Andre Baumann MdL und Hermino Katzenstein MdL im November 2022 zum Thema Windkraft und den gut besuchten Neujahrsempfang mit Reinhard Bütikofer MdEP und Beate Müller-Gemmeke MdB Anfang Februar.

Auf großes Interesse stieß auch die Veranstaltung mit Staatssekretärin Dr. Franziska Brantner MdB und weiteren Podiumsgästen am 5. Mai 2023 zu erneuerbaren Energien.

Im Rahmen einer spannenden und emotionalen Gesprächsrunde mit dem Europaabgeordneten Romeo Franz am 12. Mai 2023 in Spechbach nahm sich der Kreisverband den wichtigen und aktuellen Themen Rassismus und Integration am Beispiel der Situation der Sinti und Roma an.

Darüber hinaus gab es Treffen der thematischen Arbeitskreise und weitere Aktivitäten, Veranstaltungen und Initiativen des Kreisverbands. Mit den Ortsverbänden und den Abgeordneten im Kreisverband Hermino Katzenstein und Norbert Knopf wurde ein intensiver Austausch gepflegt.

Kreisschatzmeisterin Petra Groesser präsentierte den Kassenbericht, der für 2022 ein gutes finanzielles Polster ausweist. Dieses werde für kommende Wahlen auch benötigt, verdeutlichte sie.

Vorstand und Schatzmeisterin wurden einstimmig entlastet.

Im Folgenden stand turnusgemäß die Wahl des Kreisvorstands auf der Tagesordnung. Gewählt wurden Jutta Münch, Gabi Schmitz und Patrick Berberich sowie die bisherigen Vorstandsmitglieder Sabine Hebbelmann, Kai Jacob, Rolf Kazmaier und Nico Tremmel.

Petra Groesser wurde als  Kreisschatzmeisterin einstimmig  in ihrem Amt bestätigt.

Laut Satzung des Kreisverbandes sind die Mitglieder des Vorstands gleichberechtigt.

Im Anschluss klang der Abend beim traditionellen Grünen Sommerfest mit vielen Gesprächen, leckerem Essen mit Getränken und guter Laune aus.  

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Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?

Bei der gut besuchten Podiumsdiskussion mit Franziska Brantner kamen viele Fragen und Anregungen zur Sprache

Das Thema Energiewende betrifft in besonderer Weise auch private Haushalte und Unternehmen. Als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist die Heidelberger Bundestagabgeordnete Franziska Brantner ganz nah an den aktuell heiß diskutierten Themen dran. Und so wunderte es nicht, dass bei der Veranstaltung ‚Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?‘ das Martin-Luther-Haus in Neckargemünd rappelvoll wurde.

Eingeladen hatten der Kreisverband Odenwald Kraichgau von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN und der Ortsverband Neckargemünd. Neben Franziska Brantner saßen auch Eva Rausch, Mitinhaberin eines Rauenberger Unternehmens für Gebäudetechnik, der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau Florian Oeß sowie Umweltphysikerin Amany von Oehsen auf dem Podium.

Als Moderator lockte Stefan Geißler, Kreisrat und Vorsitzender des Ortsverbandes Neckargemünd, die Podiumsgäste aus der Reserve und sorgte für einen lebhaften Austausch.

Mit „Franziska, wie geht es Dir?“ begrüßte er Staatssekretärin Franziska Brantner, die angesichts der aktuellen Herausforderungen den Ball aufnahm: „Es ist schon sehr viel im Augenblick“, räumte sie ein und lenkte den Blick auf ein Thema, das medial bisher nicht diskutiert wurde. „Wir haben viel Zeit mit der Digitalisierung der Energiewende verbracht und sehen, welchen Unterschied es macht“, sagte sie.

Ihr überfordert die kleinen Leute, sagten die einen, die anderen, es passiere noch nicht genug, so Geißler. Die Staatssekretärin verwies auf Übergangsfristen und sagte, man wolle niemanden zurücklassen und zeigen, dass Wohlstand und Klimaschutz zusammengehen.

Der Kreisrat sprach das schlechte Abschneiden Baden-Württembergs und insbesondere der Region beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an, worauf Brantner auf die Vorreiter-Rolle in einer anderen „Disziplin“ verwies: „Bis Ende des Jahres müssen die großen Kommunen eine Wärmeplanung machen. Wir sind das erste Land, das erkannt hat, dass wir eine Wärmewende brauchen.“

Geißler wandte sich nun Eva Rausch zu und fragte sie nach der Stimmung in der Kundschaft. „Es gibt ganz viele, die wollen umstellen, aber rund ein Drittel fragt, wo kriege ich noch eine Ölheizung her“, berichtete sie. Auf die Frage, was sie der Staatssekretärin gern mitgeben würde, äußerte die Praktikerin: „Ich würde mir stressfreiere Anmeldungen von Anlagen wünschen. Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es bis zu sieben Netzbetreiber. Da müssen noch Papierausdrucke händisch unterzeichnet und per Mail verschickt werden. Es wäre schön, wenn das einheitlich liefe.“

Zu den über 900 Netzbetreibern zählten vor allem kommunale Stadtwerke. „Das ist eine große Stärke. Aber hier sieht man auch die Grenzen des Föderalismus“, sagte Brantner und versicherte: „Wir versuchen, eine gemeinsame Plattform zu eröffnen.“

Angesichts des Mangels an Fachkräften wünschte sich Rausch eine leichtere Anerkennung gleichwertiger Abschlüsse aus dem Ausland. „Wenn von zehn Punkten zwei fehlen, sollten sie nachgeholt werden können und nicht die ganze Ausbildung von vorn begonnen werden müssen.“

Stefan Geißler berichtete, dass die Unternehmerin und er versuchten, im Kreis dem Fachkräftemangel im Photovoltaik-Bereich mit einer Fortbildung zu begegnen. Grundsätzlich gebe es für Elektrofachbetriebe die Möglichkeit, für bestimmte Aufgaben innerhalb von zwei Wochen „Elektrotechnisch unterwiesene Personen“ (EuP) anzulernen.

Amany von Oehsen begleitet die Energiewende sowohl als Wissenschaftlerin wie auch als Energieberaterin im Nebenberuf. Sie sieht aktuell Licht und Schatten. PV auf Gebäuden sollte durch eine Anpassung der Einspeisevergütung besser gefördert werden, forderte sie. „Wir gehen auf den Acker, weil sich die PV auf der Fabrikhalle weniger lohnt“, bemerkte sie. Nachholbedarf sah sie auch bei der Energieeffizienz und bei der Gebäudedämmung.

Aktuell würden E-Fuels und Kernfusion diskutiert …, so Geißler.

„Es gibt schon lange Studien, die zeigen, dass es möglich ist zu hundert Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen, entgegnete die Wissenschaftlerin und machte zugleich deutlich, dass es mit den Klimazielen nicht vereinbar sei, in größerem Umfang Holz zu verbrennen: „Buchen brauchen 80 Jahre bis sie ‚erntereif‘ sind. Und wir wissen nicht, ob die Bäume in Zukunft noch nachwachsen.“

Die Energiewende sei von Enthusiasten beseelt, die sich ehrenamtlich engagieren, bemerkte Geißler und stellte Florian Oeß vor. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau sei Verfechter einer dezentral organisierten Energiewende, die von der Bürgerschaft getragen wird.

Der machte deutlich: „Es reicht nicht, nur die Energiequelle auszutauschen. Ich behaupte, dass wir in den Bürgerenergiegenossenschaften große Kompetenzen haben. Die Bürgerenergie ist sozial gerecht, für die Beschleunigung der Energiewende brauchen wir die Bürger.“

Geißler sprach den Wind über dem Neckargemünder Lammertskopf an, wo drei Bürgerenergiegenossenschaften und die Stadtwerke Heidelberg gemeinsam ein Bürgerwindpark-Projekt voranbringen wollen. Auch wenn Forst BW sich gegen eine Sondervergabe stellt, will das regionale Konsortium nicht aufgeben und sich an der regulären Ausschreibung der Staatsforstflächen beteiligen, berichtete Oeß und sagte: „Jetzt gilt es, die Daumen zu drücken!“

DISKUSSION

Lebhaft diskutiert wurde über die Heizungsumstellung auf erneuerbare Energien, die viele persönlich betrifft. Gebäudesanierung, Heizungsumstellung und Dämmung sind oft mit großem Aufwand und Investitionen verbunden. Finanziell Schwächere könnten das nicht leisten und müssten gezielt unterstützt werden.

Es brauche kommunale Wärmenetze und die Möglichkeit der Gemeinschaftswärmeerzeugung, da nicht jede Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden könne.

Aus Gründen des Klimaschutzes sollte die Förderung für Pelletheizungen gestrichen und stattdessen die von Wärmepumpen und Geothermie erhöht werden.

Weitere Fragen und Anregungen deckten ein breites Spektrum ab: Die Struktur des Netzes und sein Ausbau sollten auf die Dezentralisierung des Energiesystems abgestimmt werden. Smartmeter seien derzeit noch teuer und hätten, solange es keine flexiblen Tarife gibt, wenig Nutzen. Auch für die teuren Weiterbildungen für Handwerker sollte es Geld vom Staat geben.

Mit Anpassungen bei der Landesbauverordnung müssten Vorhaben wie Parkplatzüberdachungen erleichtert werden.

Angeregt wurden Beratungsstrukturen, besonders für ältere Menschen. Insgesamt sollte die Regierung wieder mehr erklären, warum sie etwas tut.

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Volles Haus beim Neujahrsempfang des Kreisverbands am 5. Februar

Reinhard Bütikofer MdEP und Beate Müller-Gemmeke MdB im Podiumsgespräch zu aktuellen Themen

Bis auf den letzten Platz mit Mitgliedern und Interessierten gefüllt ist der Saal im Kulturhaus Wiesloch beim Neujahrsempfang 2023 des Kreisverbands Odenwald-Kraichgau von Bündnis 90/ Die Grünen.

Im Rahmen ihrer Begrüßung geht Petra Groesser, Mitglied des Kreisvorstands auf die aktuelle politische Situation ein. Die mit dem Ukrainekrieg einhergehenden Veränderungen  und mitunter schwierigen politischen Entscheidungen in Berlin haben auch die Parteibasis stark bewegt .

Gabriela Lachenauer, Kai Jacob und Jürgen Kretz stellen sich den Anwesenden als neuer Vorstand des Ortsverbands Wiesloch von Bündnis 90/ Die Grünen vor. In seiner Rede gibt Jürgen Kretz einen kurzen Überblick zum Geschehen vor Ort und bekräftigt wie wichtig es sei, dass in diesen schwierigen Zeiten Grüne Ministerinnen und Minister in Berlin Verantwortung übernehmen.

Wieslochs OberbürgermeisterDirk Elkemann spannt in seinem Grußwort  einen Bogen von aktuellen Themenfeldern der Europapolitik und Bundespolitik zu seinen persönlichen Hoffnungen und Wünschen für das neue Jahr.

Als Höhepunkt der Veranstaltung wird in der von Jürgen Kretz moderierten Podiumsdiskussion ein breiter Strauß an Themen diskutiert. Reinhard Bütikofer MdEP als anerkannter Experte für Außenpolitik informiert über aktuelle Fragestellungen und Entscheidungen im Europaparlament und legt seine Einschätzung zur aktuellen Situation und der Zusammenarbeit  innerhalb der EU und zum Verhältnis mit China und den USA dar.

Beate Müller-Gemmeke MdB berichtete über aktuelle Initiativen und Projekte im Bundestag zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Im Kontext der Diskussionen zum Bürgergeld mahnt sie eine sachliche Diskussion über Inhalte statt teils populistischer Äußerungen an. Insgesamt hat die Ampel-Koalition in 2022 mehr als 100 Gesetze im Bundestag verabschiedet, viele davon auch zur Abmilderung der Folgen des Ukrainekriegs  wie etwa die Gaspreisbremse. Auf der Agenda steht eine Reihe weiterer Projekte wie die Kindergrundsicherung und neue Regelungen zur beruflichen Weiterbildung.

Die zahlreichen und vielfältigen Fragen aus dem Publikum  vom Fachkräftemangel, über die Möglichkeiten des Ausbaus von erneuerbaren Energien bis hin zu Panzerlieferungen an die Ukraine zeigen das große Interesse am Austausch und der Einschätzung der Expert*innen.

In der anschließenden Pause werden die Gespräche mit den Referent*innen  fortgesetzt. Auch die Landespolitik kommt hierbei keineswegs zu kurz. Mit den Landtagsabgeordneten im Kreisverband Norbert Knopf und Hermino Katzenstein werden  aktuelle Fragestellungen vor Ort besprochen. 

Nach den Ehrungen für langjährige Mitgliedschaften bei Bündnis 90/ Die Grünen und dem Dank an die Referent*innen  klingt ein rundum gelungener Neujahrsempfang mit Live Musik durch die „KleinRaumBand“ , bei Speisen, Getränken und vielen interessanten Gesprächen langsam aus.  

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Zukunft der Landwirtschaft

11.07.18 –

Auf Einladung des Kreisverband Odenwald-Kraichgau diskutierte Europapolitikerin Maria Heubuch mit Bauern und Verbrauchern

Ob Streit um Glyphosat, Insektensterben oder überhöhte Nitratwerte im Grundwasser - über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich die Landwirtschaft aktuell nicht beschweren. Dabei werden die Debatten zum Teil recht hitzig geführt. Während die einen sich und die Umwelt vergiftet sehen, fühlen sich die anderen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Zur Versachlichung der Debatte trug eine Veranstaltung des Grünen Kreisverbands Odenwald-Kraichgau in Sinsheim mit der Europaabgeordneten Maria Heubuch bei.

Heubuch war 16 Jahre Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die bäuerliche Interessenvertretung konventionell und ökologisch wirtschaftender Betriebe. Im EU-Parlament setzt sie sich für eine Neuausrichtung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) ein, die aktuell für die Jahre 2021 bis 2027 neu verhandelt wird.

„Wir müssen wegkommen von der Weltmarktorientierung und die regionalen Märkte stärken“, sagte die Agrarexpertin. Landwirte stünden unter hohem Druck das Maximale aus Tier und Boden herauszuholen. „Eine Spirale aus mehr Kosten, mehr Arbeit, mehr Verantwortung und mehr Risiko - nur um den Betrieb über Wasser zu halten“, sagte Heubuch, deren Familie einen Milchviehbetrieb im Allgäu bewirtschaftet. Das habe auch Auswirkungen auf Umwelt, Boden, Grundwasser und Biodiversität. Artenverlust aber sei ein Verlust an Lebensgrundlagen und nicht zuletzt ein Verlust auf dem Teller.

Agrarförderung mit der Gießkanne

Tatsächlich aber seien die bisherigen Reformvorschläge der EU-Kommission wenig zielführend. Die wenigen Umweltauflagen (Greening), die es bei der Direktförderung gibt, sollen gestrichen werden. „Als Ersatz will die Kommission ein Menü anbieten, von dem die einzelnen Nationen sich was herauspicken können“, berichtete Heubuch und sah die Gefahr eines Wettlaufs nach unten. Dass EU-Agrarkommissar Hogen von der Vergemeinschaftung weg und zurück zu nationaler Agrarpolitik wolle bezeichnete sie als „ganz großen Rückschritt“. „Wir werden ganz unterschiedliche Vorgaben auf dem gemeinsamen Markt haben.“

Haushaltskommissar Oettinger wolle die Direktförderung, die „mit der Gießkanne gleichmäßig über die Hektare gegossen wird“, nur um vier Prozent kürzen, aber 25 Prozent bei der Zweiten Säule, der Entwicklung des ländlichen Raums, streichen. In Baden-Württemberg gehörten dazu Programme zur Förderung von Streuobstwiesen und Ökolandbau sowie von Investitionen in tiergerechte Ställe.

„Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium sagt: Die Gießkanne ist nicht effektiv, so dürfen wir mit Agrargeldern nicht umgehen, doch Umweltministerin Klöckner versucht, das von ihrem Haus in Auftrag gegebene Gutachten in der Schublade verschwinden zu lassen“, so Heubuch. Mit der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament fordere sie dagegen eine höhere Umverteilung der Direktzahlungen „auf die ersten Hektare“ und somit an kleine Betriebe. Gefördert werden sollten außerdem Tierwohl, Ökolandbau sowie Umwelt- und Naturschutz.

Lebhafte Diskussion

„Ich fand es sehr schön dargestellt wie es in der EU läuft“, sagte ein Bauer bei der anschließenden lebhaften Diskussion. Es habe schon ein Umdenken stattgefunden. „Wir sollten der Landwirtschaft die Zeit geben, Erfahrungen zu sammeln.“

Ein anderer kritisierte den Begriff ‚Massentierhaltung‘, da er sich pauschal abgestempelt fühlt. Heubuch entgegnete, in Brandenburg gebe es Ställe mit 20 000 Schweinen. „Das ist Massentierhaltung, wir müssen es beim Namen nennen.“ Häufig stünden Investoren dahinter, nicht mehr Familienbetriebe. Und die bäuerlichen Betriebe müssten genau mit diesen Riesenställen konkurrieren. Energisch schickt sie hinterher: „Was ich noch nie begriffen habe: Warum stellt sich Jemand, der 1000 Schweine mästet, vor so einen Stall? Sie ziehen sich einen Schuh an der nicht Ihrer ist.“

In der Diskussion ging es auch um den Einfluss des Bauernverbandes. „Wen genau vertritt er? Alle, oder nur die konventionellen Großbetriebe?“, fragte eine Teilnehmerin. Der Bauernverband sei als Einheitsverband zur Sicherstellung der Ernährung nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden und nicht als Interessenvertretung der Landwirte, betonte Heubuch und ergänzte: „Es sind Verarbeiter wie der Milchindustrieverband und viele andere Verbände mit drin, das ist ein ganz großes strukturelles Problem. Wir hätten gern, dass wir uns in der Lieferkette besser organisieren könnten.“

In der Ausbildung müsse noch viel passieren, betonte sie. Da würden Materialien von Bayer und BASF eingesetzt, Ökolandbau aber stehe in Baden-Württemberg nicht auf dem Lehrplan. „Warum wird nicht beides nebeneinander gelernt, dann sind Sie ausgebildet und wissen was Sie mit Ihrem Betrieb machen wollen.“

Landwirtschaftspolitik in der Kritik

„Dreißig Jahre Fehlberatung, dreißig Jahre fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik“, wetterte ein Demeter-Landwirt. Der Lebensmittelmarkt sei überversorgt, die Genossenschaftsmolkereien hätten vor zehn oder 15 Jahren die Produktion bremsen müssen.

„Ein Kilo Schnitzel für 3,99 Euro, der Sau kann’s nicht gut gegangen sein“, bestätigte Heubuch und bemerkte: „Nirgends sind Lebensmittel so billig wie in Deutschland.“ Das sei die Weltmarktstrategie und politisch gewollt. Es gehe um Marktanteile.

„Kleine Betriebe können da nicht mithalten, geschweige denn, in Tierwohl investieren“, beklagte Heubuch. Dass die Selbstmordrate unter Landwirten so hoch sei bedrücke sie. „Der Beruf Bauer beziehungsweise Bäuerin ist eine Lebenshaltung, da steht man mit der Familie drin. Das ist ein Teil des eigenen Lebens, ein Stück weit Berufung.“

Und dann rückte sie die Perspektiven zurecht: „Was interessiert mich der Weltmarkt wenn ich nichts davon habe? Das Milchgeld muss stimmen, dann komme ich mit unseren 50 Kühen zurecht.“

Freihandelsabkommen gingen zu Lasten der bäuerlichen Landwirtschaft. „Kanada, Neuseeland, Australien, Japan - die können’s billiger.“ Im globalen Handel können wir nirgends die Kreisläufe schließen und sollen nebenbei noch Umwelt- und Naturschutzziele erfüllen. Wir bringen die Dinge nicht mehr zusammen.“

Mehr regionale Vermarktung!

Eine massive Entfremdung zwischen Konsument und Erzeuger stellte ein Zuhörer fest. „Das werden Feindbilder aufgebaut.“ Bei verarbeiteten Produkten im Supermarkt wüssten die Verbraucher oft nicht mehr was drin ist - und viele wüssten mit Rohprodukten nicht mehr viel anzufangen.

Ein Milchbauer aus dem Kleinen Odenwald bezeichnete sich als Pionier gegen Glyphosat und beklagte, die regionale Vermarktung der Biomilch funktioniere nicht. Mehr regionale Vermarktung wünschte sich auch eine Konsumentin. Die Bauern sollten den Markt selber in die Hand nehmen, zum Beispiel mit regionalen Käsereien.. „Ich bin mir sicher dass die Nachfrage da ist.“

Heubuch riet dazu, vorhandene Förderprogramme in Anspruch zu nehmen und eine Marke aus der Region zu kreieren - so etwas wie Kraichgaukorn.

Streitthema Glyphosat

Ein konventioneller Landwirt sah sich durch Grüne und Umweltschützer zu Unrecht an den Pranger gestellt und verteidigte den gezielten Einsatz von Glyphosat. „Wir haben im Kraichgau fruchtbare lebendige Böden, unsere Regenwürmer sind super.“ Weil der Lößboden erosionsgefährdet sei sollte er aber nicht gepflügt werden. Laut Heubuch gebe es Methoden der konservierenden Bodenbearbeitung die ohne Glyphosat aus-kommen, zum Beispiel Mulchsaat. Neue Verfahren und Hackmaschinen würden entwickelt. „Mein Interesse ist, dass wir gemeinsam Lösungen finden.“

Die Leute seien informiert. Das was die Politik versäume werde der Markt regeln. „Wir sollten darauf vorbereitet sein“. Die Demonstranten auf den „Wir haben es satt Demos“, das seien genau die Leute, die regionale Abo-Kisten bestellen und auch bereit seien, mehr für die Produkte zu zahlen, betonte Heubuch. „Und es werden immer mehr Landwirte, die bei den Demos dabei sind.“

 

Weiterführende Links

Maria Heubuch informiert in ihrem Newsletter über ihre Arbeit als EU-Parlamentarierin u.a. im Glyphosat-Sonderausschuss 

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. - AbL 

taz: Klöckner versteckt kritische Gutachten

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