Spannende BDK: Erfahrungsberichte unserer Delegierten

Was die Presse nicht berichtet....

24.11.20 –

Vom 20. bis 22.11.2020 fand die Bundesdelegiertenkonferenz zum neuen Grundsatzprogramm statt. Unter dem Motto: Jede Zeit hat ihre Farbe (und diese ist grün!), komplett digital, ein neues Grundsatzprogramm nach 18 Jahren, viele spannende Vorträge, Diskussionen, Redebeiträge, Gegenreden und vieles mehr...

Im folgenden berichten unsere (Ersatz-) Delegierten über ihre Erlebnisse und Erfahrungen in den  3 Tagen:

Hannah: 

Die #dbdk20 war nicht nur meine erste BDK als Delegierte, sondern auch die erste BDK, die ich überhaupt nachverfolgt habe. So fehlt mir der Vergleich zu dem analogen Erlebnis solch einer Veranstaltung.

Ich war sehr froh, dass ich noch meine Mutter Sabine neben mir als Mit-Delegierte sitzen hatte, mit der ich mich austauschen, freuen und ärgern konnte. Ansonsten fand die Kommunikation mit den anderen (Ersatz-)Delegierten im Kreisverband im Chat (chatbegruenung.de) statt. Aber auch mit vielen anderen Mitgliedern konnten wir uns hier im offenen #bdk-Channel verständigen. Getuschel, Diskussionen, Applaus oder Gegenrufe zu den Beiträgen auf der BDK hatten hier ihren Schauplatz. So konnte man zu den Abstimmungsthemen inhaltlich noch vieles nebenher lernen oder auch einfach die Reaktionen und Emotionen (und Witze) der Anderen mitbekommen.

Das ein oder andere Mal kam ich schon sehr ins Schwitzen, wenn es um wichtige Abstimmungen, zum Beispiel zu Gentechnik, kostenlosen KITAs oder direkte Demokratie ging. Vor allem wenn bei der Direkten Demokratie plötzlich das Abstimmungs-Tool schwach macht und man hysterisch "BITTE NOCH WARTEN!" in den #bdk-Chat schreibt (brüllt) und parallel die BDK-Seite neu lädt und auf die Möglichkeit zum Abstimmen hofft.  

Die Diskussion in Form von Reden und Gegenreden bot immer nochmal tolle Möglichkeiten zum Reflektieren der Abstimmungsthemen und zur finalen Meinungsbildung. Auch wenn nicht alle Entscheidungen so ausgegangen sind, wie ich es mir vielleicht erhofft habe, haben wir insgesamt ein tolles, basisdemokratisches Grundsatzprogramm verabschiedet, das uns einen richtigen und wichtigen Weg in die Zukunft weist. 

Ich war begeistert von den vielen tollen Redner*innen, den kreativen Videobeiträgen und insgesamt der Umsetzung des digitalen Parteitags. Außer dem unrealistischen Zeitplan und dem daraus folgenden Zeitverzug, lief das Meiste doch reibungslos und mit kleinen Pannen wurde mit Lockerheit und Humor umgegangen. Mein großer Dank gilt allen Beteiligten an der Ausgestaltung des guten Grundsatzprogramms (Mitglieder, Delegierte, Antragskommission, Buvo) und der technischen (#Netzbegrünung) und organisatorischen Umsetzung des Parteitags. Die Moderator*innen und das Präsidium haben hervorragende Leistung erbracht. 

Sabine:

Für mich war es zwar nicht die erste BDK. Dennoch war ich mindestens so froh, dass ich meine Tochter hatte wie umgekehrt. Das begann schon vor dem großen Ereignis. Rechtzeitig lud Hannah ihre Mit-Delegierten über das Tool BigBlueButton zu einem digitalen Treffen ins Grüne Netz, wo wir uns über die wichtigsten Themen abstimmen konnten.

Zuvor hatte sie sich aktiv im Arbeitskreis Grundsatzprogramm eingebracht und eine Debatte über Postwachstumsökonomie angestoßen. Sie sorgte für eine übersichtliche Darstellung unserer zahlreichen Änderungsanträge und erleichterte damit die Abstimmung im AK wie auch später bei der KMV. Sie brachte die Anträge ein und war für die Antragskommission im Sinne unserer Anliegen eine zähe Verhandlerin. Besonders schön war, ihre Begeisterung für diesen breiten basisdemokratischen Prozess hautnah mitzuerleben.

Uns Delegierten stand Gerhard Gebhard mit Rat und Tat zur Seite - beim Einbringen unserer eigenen Anträge, beim Verhandeln, beim Diskutieren und beim Entscheiden. Nicht zu vergessen: Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner. Sie hatte einige gute Änderungsanträge eingebracht, die überwiegend direkt übernommen wurden.

So wurde, nachdem wir und ganz viele weitere Antragsteller*innen viele Punkte hinein- bzw. herausverhandelten, das Grundsatzprogramm erkennbar grüner. Klar, nicht mit jeder Entscheidung bin ich zufrieden. Zum Beispiel hätte ich mir ein noch deutlicheres Bekenntnis zu Bürgerbeteiligung gewünscht – übrigens auch bei der Energiewende. Doch als so bieder wie das Studio-Wohnzimmer im Tempodrom (manche Pressevertreter kannten wohl nur den Programmentwurf) sehe ich das Grundsatzprogramm keineswegs, sondern als tollen Erfolg unserer Partei mit ihren vielen aktiven Mitgliedern.

Der zeitliche Vorlauf, die intensive Beschäftigung mit und die Fokussierung auf die Themen – ja und auch das digitale Format als solches – all das führte dazu, dass ich mir so sicher wie nie über das war, was ich da abzustimmen hatte. Und doch freue ich mich, wenn wir uns wieder in einer großen Halle versammeln, babbln und Party feiern können.

Rolf:

Ich habe schon zahlreiche BDKs mitgemacht, aber es war diesmal meine erste digitale. Sie hat wunderbar geklappt - von ein paar irritierenden Situationen abgesehen. Insgesamt war es aber auch eine seltsame Erfahrung: Ich hockte zweieinhalb Tage lang vorwiegend in meinem Büro, zu meinen Mit-Delegierten gab es keine Möglichkeit, sich fachlich oder locker-privat zu unterhalten, der Austausch unter uns war nur schriftlich im Chat möglich. Angesichts der Umstände haben wir Kreisdelegierte aber trotzdem eine angenehme und produktive Kommunikation unter uns hinbekommen.

Großer Nachteil der digitalen BDK-Variante: Es gab keine Stimmung im Saal, die ja immer ein Signal dafür ist, wie brisant die gerade verhandelte Angelegenheit ist und noch wichtiger: Es gab überhaupt keinen Kontakt zu den Delegierten anderer Kreisverbände. Gerade dieser Austausch aber ist ja ein wichtiger Teil der Basisdemokratie, weil da Positionen geklärt und Bündnisse geschlossen werden können. Die digitalen Stränge gingen von unten nach oben und von oben nach unten. Die Vernetzung unter den 800 Delegierten fehlte. Das ist durchaus ein Demokratieproblem, über das wir nachdenken sollten. 

Mit dem Ergebnis bin ich insgesamt zufrieden. Wir haben die meisten Inhalte unserer Anträge jetzt im Grundsatzprogramm. Wir haben uns vom unsäglichen Hartz 4 verabschiedet, etlichen neoliberalen Ballast abgeworfen. Sogar zum komplexen Thema Wachstum haben wir jetzt eine brauchbare differenzierte Position im Programm. Wir haben unser Programmangebot deutlich in die Gesellschaft erweitert, ohne unseren Markenkern aufzugeben. Schmerzlichste Ausnahme: Die negative Entscheidung zum Volksentscheid.

Ich freue mich darauf, auf unserer nächsten KMV Genaueres zu berichten

Jürgen:

Ich war schon viele Male auf BDKs, zumeist als Gast und nicht als Delegierter oder Ersatzdelegierter. Der virtuelle Parteitag hat trotz kleiner technischer Pannen wirklich gut geklappt. Allerdings verzögerten sich die Abstimmungen durch die elektronische Wahl aus der Ferne sehr. Bei einem normalen Parteitag wäre es ein einfaches Handzeichen mit der Stimmkarte, und das Präsidium hätte bei eindeutigen Abstimmungen in Sekunden das Ergebnis feststellen können. Stattdessen sahen wir viele, gut gemachte Video-Einspieler zur Überbrückung, die unsere Partei, ihre Mitglieder und Themen vorstellten. Aufwiegen konnte das natürlich nicht, dass man normalerweise viele persönliche Gespräche mit anderen Anwesenden führen würde. Danke an meine Mit-Delegierten für den intensiven und kurzweiligen Austausch per Chat, den wir stattdessen geführt haben! Starke Auftritte lieferten unsere Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck bei ihren Politischen Reden ab. Die Antwort auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit ist und bleibt einfach Grün!

Wir Grüne sind die Partei der Nachhaltigkeit und denken Ökologie, Ökonomie und Soziales konsequent zusammen. Das sieht man ganz deutlich am Entwurf unseres neuen Grundsatzprogramms. Insbesondere die Kapitel „Lebensgrundlagen schützen“, „In die Zukunft wirtschaften“ und „International zusammenarbeiten“ lagen mir am Herzen.
Um einen umfassenden Nachhaltigkeitsanspruch systematisch umzusetzen, suchen wir die Verknüpfungen zwischen Politikfeldern wie Wirtschaft, Umwelt und Internationales. Manche solcher Punkte sind auf den ersten Blick klar, andere sind nicht immer sofort sichtbar. Wir brauchen deshalb systematische Hebel, um Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung konsequent herzustellen. Daher fordern wir im Grundsatzprogramm, dass „politische Entscheidungen (…) daran gemessen werden (müssen), ob ihre Folgen mit der Einhaltung der planetaren Grenzen vereinbar sind“ und dass „alle politischen Entscheidungen (…) einem verpflichtenden Nachhaltigkeits-Check unterzogen werden“ müssen.
Diesen verpflichtenden Nachhaltigkeits-Check bzw. die Einrichtung eines Nachhaltigkeitskontrollrats der Bundesregierung müssen wir genauso in unserem Bundestagswahlprogramm und einem möglichen Koalitionsvertrag verankern! Ein wichtiges Signal fand ich zudem das Bekenntnis in unserem Grundsatzprogramm zum 1,5 Grad-Ziel und zum Erreichen der "Klimaneutralität (...) deutlich vor Mitte des Jahrhunderts". 

Anja:

Ich hatte mich ziemlich blauäugig gemeldet, um mich als Ersatz-Delegierte wählen zu lassen. Ehrlich gesagt, war das recht spontan und ohne so wirklich zu wissen, was das eigentlich genau bedeutet. Ja, ich wusste, als Delegierte „stimmt man ab“. Aber das war es dann auch schon fast und ich war ja auch nur Ersatz-Delegierte. Also quasi die Notreserve, falls jemand ausfällt. Als die Delegierten und Mitmacher sich dann 2 Tage vor dem Start der BDK nochmal virtuell trafen, um über diverse Themen die Meinung auszutauschen, war ich dabei. Und spätestens da habe ich gemerkt, wie substanziell das Mitreden ist. Wie sehr mich diese Themen alle ansprechen und wie sehr ich mir wünsche, dass die Abstimmungen darüber so oder so ausgehen.

Es war meine erste BDK überhaupt. Deshalb habe ich keinen Vergleich zu den Live-Veranstaltungen. Ich fand aber die Stimmung in ganz vielen Momenten tatsächlich sehr mitreißend, gerade bei vielen unglaublich ergreifenden Reden. Und vor allem diese Reden haben mir wieder gezeigt, wie sehr man doch mit Worten überzeugen kann. Wie viel mehr ein leidenschaftlich vorgetragenes „Für und Wider“ ist als nur ein Paragraph im Grundsatzprogramm. Klar waren die Abstimmungen danach dann auch entsprechend spannend. Wenn man parallel dazu noch den gemeinschaftlichen Live-Chat aller Teilnehmer verfolgt hat, dann hat sich da schon ein ziemliches Wir-Gefühl eingestellt. Spontaner Zustimmungsjubel, Gegenseitige Begrüßungen, Gewetter, Gegen-Gewetter, Herzchen, Technik-Hilfeeee-Schreie, Daumen-Hochs, Kanzler*innen-Rufe… und wieder flogen gefühlt tausende Herzchen und Sonnenblumen. 

Was mich tatsächlich erstaunt hat, dass doch sehr oft auf Linie des Bundesvorstandes oder einer entsprechend modifizierten Übernahme entschieden wurde. Wirklich knappe Entscheidungen gab es nicht viele. Für mich ein gutes Zeichen. Toll fand ich, dass die Entscheidung über die Bürgerentscheide nochmal zur Wiederholung hätte kommen können, da das Ergebnis so knapp war. 

Bis auf wenige Abschnitte war ich die ganze Zeit dabei. Von Freitag 16 Uhr (Technik-Checks für die Delegierten) bis Sonntag 16:30 Uhr. Marathon. Das Wetter war sonnig, aber ich war nicht vom Laptop wegzukriegen. Es hatte mich echt gepackt. Dieses Grundsatzprogramm ist unsere Weichenstellung für die Zukunft und es ist eine wirklich sehr vielversprechende!  Das genau kam bei der BDK auch rüber. Und ein paar Abstimmungen durfte auch ich machen J 

Kleinere Pannen bei den Redner*innen in ihren Wohnzimmern, das dabei herrlich stoisch agierende Präsidium, Verzögerungen noch und nöcher, … klar, man kann immer an Verbesserungen arbeiten. Aber wer traut ich sich schon, mit so vielen Teilnehmern einen 3tätigen interaktiven Online-Parteitag abzuhalten mit zig Live-Schalten und Online-Abstimmungen. Hut ab, Ihr Lieben!  

Und was ist mit der nächsten BDK? Da will ich auf jeden Fall hin!